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Pfingsten und Fronleichnam: eine Aufgabe und ein Kriterium

24. Mai 2023
Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes, und Fronleichnam ist die Feier des heiligen Leibes und Blutes Christi.

In der Bibel heisst es: «Am Anfang, als Gott den Himmel und die Erde erschuf, war die Erde wüst und wirr, und Finsternis lag über der Urluft, und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.» Die Theologen und Geistesgelehrten sehen in diesem Wind (hebräisch «ruah») den Heiligen Geist, der alles erneuert, der das Chaos in Kosmos verwandelt, der die Unordnung in eine geordnete Entwicklung lenkt. Die menschliche Seele ist nichts anderes als die Darstellung dieses Heiligen Geistes. (Das ursprüngliche hebräische Wort ‹ruah› für den Geist Gottes bedeutet Wind oder Atem). Im biblischen Sinn sind die Menschen «nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen» (Gen 1,26). Daher ist die menschliche Identität die eines Mit-Schöpfers. Er ist aufgerufen, mit Gott in seinem schöpferischen und erlösenden Wirken zusammenzuarbeiten.
Deshalb beschreibt Papst Johannes Paul II. den Menschen als Verwalter, der zwar die Freiheit geniesst, aber die ihm verliehenen Gaben entwickeln und vervielfachen muss. An dieser im irdischen Leben ausgeübten Verwaltung wird Gott den Menschen beurteilen. Pfingsten verweist auf diese Dimension von Kreativität und der damit verbundenen Aufgabe der Menschheit.

Die christliche Tradition lehrt, dass die Menschheit mit der Sünde die Fülle des Bildes Gottes verloren hat. Durch die Menschwerdung und Erlösung von Jesus Christus, der das vollkommene Beispiel für völligen Gehorsam und Hingabe an Gott den Vater ist, wurde uns das Bild Gottes zurückgegeben. Hier kommt das Fest des heiligen Leibes und Blutes Jesu Christi (Fronleichnam) ins Spiel. Für Jesus war sein Körper kein Hindernis, um ganz menschlich und spirituell zu sein, sondern ein Sprungbrett, um wirklich und vollständig lebendig zu sein. Jesu Worte wie: «Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt» (Joh. 4,32) und «Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird» (Lk 22,20) und «Meine Nahrung ist es, den Willen Gottes des Vaters zu erfüllen» (Joh 4,34) zeigen, dass es ihm in erster Linie darum ging, den Willen Gottes zu verwirklichen. Mit anderen Worten: Für einen Menschen, für den der Wille Gottes genauso wichtig ist wie Nahrung, ist sein Körper oder seine physische Umgebung die Möglichkeit, den Willen Gottes zu erkennen, der ihn dazu bringt, mit den Bedürftigen und Hungrigen zu teilen. In Jesus ist dieser Wille so einzigartig und vollkommen, dass sein Körper für andere zur Nahrung des ewigen Lebens wird – die Eucharistie, durch die wir den Leib und das Blut Christi feiern, empfangen und leben.

Der Mensch ist immer auf der Suche nach Glück und neuen Erfahrungen. Diese natürliche Orientierung muss man im Zusammenhang mit seiner übernatürlichen Ausrichtung sehen. Wir sind dazu berufen, ewiges Glück zu erlangen. Uns obliegt die Pflicht, mit Gott in seinem Schaffen zusammenzuarbeiten und die Geschöpfe zu schützen. Wir haben die Macht, sie insoweit zu erneuern, als dies zu der von Gott gewollten ganzheitlichen Güte und Ordnung führt. Jede Erneuerung und jede Kreativität sollen daran gemessen werden, ob sie der Erhaltung und dem Schutz der gesamten Schöpfung im Einklang mit dem Willen des Schöpfers dienen. In diesem Sinn ergibt das Gebet an Pfingsten und an Fronleichnam einen tiefen Sinn: «Herr, erneuere die Kirche und die Welt – und fange bei mir an.»

Joseph Devasia

 

Dreifaltigkeit

Der Sonntag nach Pfingsten ist dem christlichen Gottesgedanken gewidmet und heisst darum Dreifaltigkeitssonntag. Die erste Hälfte des Kirchenjahres mit den grossen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten ist abgeschlossen; jetzt soll sich im Alltag bewähren, was Jesus verkündet hat: Gott ist der eine und zugleich dem Wesen nach in Beziehung mit uns Menschen. Dieser Sonntag leitet die zweite Hälfte des Kirchenjahres ein, die wir dann in der katholischen Kirche «Sonntage im Jahreskreis» nennen. Bei den reformierten Christen werden die Sonntage bis zum Ende des Kirchenjahres «nach Trinitas» genannt. Die Verehrung des dreifaltigen oder dreieinen Gottes (Vater, Sohn und Geist) hat sich in der Kirche bereits früh entwickelt. Dieses Glaubensbekenntnis musste dann in langen Jahren geklärt werden, so wird das Fest Dreifaltigkeit erst im Jahr 1334 in der ganzen Kirche verbindlich eingeführt und auf den Sonntag nach Pfingsten festgesetzt. Das Geheimnis Gottes soll sich entfalten: Gott wirkt durch den Sohn im Heiligen Geist. Er ist liebevolle Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist. Aus dieser innigen Beziehung des dreieinigen Gottes leben wir, das ist der Kern des Festes Dreifaltigkeit. Das übersteigt unsere Fähigkeit, was wir mit dem Verstand erfassen können. Auf unserem Glaubensweg kann diese Beziehung für uns verständlicher werden: Wir sind Kinder Gottes, des Vaters, der uns das Leben geschenkt hat. Wir gehören zu Jesus, dem Sohn, der uns erlöst hat. Und wir alle sind durch Gottes Geist zur Freiheit berufen.

Matthias Rupper