Mystik
25. November 2021
Im November können Tage im dichten Nebel anbrechen, dann durchstossen nach und nach Sonnenstrahlen die Nebeldecke – wir nennen dieses Phänomen eine mystische Stimmung. Wobei wir oft gar nicht wissen, was mystisch genau heisst, «geheimnisvoll» scheint noch der nächste Bezug zu sein.
In der Theologie, in der Glaubenswelt hat Mystik eine grosse Bedeutung. Leider wird das Wort immer wieder mit Spiritualität oder Esoterik verwechselt. Das wäre dann vereinfacht ausgedrückt etwas Abgehobenes, nicht präzis Fassbares, eher etwas für Menschen, die nicht ganz auf dem Boden der Realität stehen. Zum Glück hat Mystik eine klare Bedeutung: Unter Mystik versteht man das Bemühen eines Menschen, das Göttliche zu erfassen. Der Zugang soll aber nicht über die kirchliche Lehre, über die unveränderbaren Dogmen gesucht werden, sondern über die persönliche Erfahrung. Nicht der Verstand, die logische Theologie führt zum Ziel, sondern das Herz und die Gefühle lassen den Menschen das Göttliche nicht begreifen, aber erahnen. Gerade in unserer Zeit, von genauer Wissenschaft und Technik geprägt, haben auch jüngere Menschen ein tiefes Bedürfnis, den Glauben anders zu erfahren – nicht vorgeschriebene Praxis, sondern persönliches Suchen. Schon vor 30 Jahren hat der Jesuit Karl Rahner diesen Weg als zukunftsweisend erkannt: «Der Fromme der Zukunft wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.» Wobei man den leicht verstaubten Begriff «fromm» besser mit «glaubend» übersetzen wird.
Mystik als Chance der zukünftigen Kirche
Mystik als persönliches Suchen nach dem Göttlichen ist nicht auf das Christentum beschränkt, alle Weltreligionen kennen mystische Strömungen. Christliche Mystik hat einen erfahrbaren Glauben und eine Beziehung zu einem nahbaren Gott als Ziel. Lange genug wurde in Predigt und Unterricht Gott als strenger Richter, als omnipräsenter Aufpasser verkündet; dass man sich vor einem solchen Gott fürchten musste, war die logische Folge. In neuerer Zeit und im Sinne von Papst Franziskus wird Gott vermehrt als der Barmherzige verkündet. Dieses Gottesbild kann dem Menschen Vertrauen schenken, soll aber nicht dazu führen, dass Umkehr und Einsicht in schuldiges Verhalten abgeschafft werden. Aber die positive Ausrichtung der Mystik ist wirklich ein guter Weg im Glauben. Im Wesentlichen sind damit folgende Aspekte gemeint: Mit Gott kann der Mensch in Beziehung treten, sozusagen das Gespräch suchen. Gott kann zu uns sprechen durch andere Menschen, durch Gebet und durch das Studieren der Bibel. Ausdrucksformen mystischer Gotteserfahrung können das mantrische Beten (das Wiederholen einfacher Glaubensworte) oder stilles Meditieren oder einfache Lobpreisgesänge sein. Dadurch werden wir empfänglich für Gottes Sprechen in unser Leben, nicht nur im Sonntagsgottesdienst, nicht nur in der Kirche oder in kirchlichen Gruppen, sondern im Alltag. Im normalen Alltag erhoffen und erwarten wir Gottes Gegenwart. Diesen Ansatz haben Freikirchen schon lange zu ihrem Glaubensfundament gewählt. Die katholische Kirche kann davon lernen, dass verkopftes Denken und weltferne Theologie die Menschen heute nicht mehr anzusprechen vermögen; vielmehr soll ihnen ein Raum gegeben werden, dass sie Jesus und seiner Botschaft begegnen können. Eigentlich haben wir in der katholischen Kirche einen reichen Schatz an mystischen Gottsuchern: Meister Ekkehart, Teresa von Avila, Franz von Assisi, Hildegard von Bingen und viele mehr.
Gefahren von christlicher Mystik
Es gibt allerdings auch Gefahren auf dem mystischen Glaubensweg. Wenn der Mensch glaubt, Gott so begreifen zu können («So ist er und nicht anders»), dann macht er seine eigenen Gedanken zum Massstab. Paulus hat diesem Denken eine klare Absage erteilt: «Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unsere Erkenntnis ist Stückwerk.» Er meint damit, dass Gott für uns Menschen nicht begreifbar ist und immer Geheimnis bleibt. Ebenso muss auf dem mystischen Weg sorgsam unterschieden werden, was echt ist und was nur Produkt des persönlichen Verstehens ist; das Erlebte muss im Glauben geprüft werden. Auch ist Gotteserfahrung nie nur eigene Leistung, sondern immer Gnadengeschenk. Und schliesslich ist Mystik ohne die biblische Grundlage immer fragwürdig; die fundierte Lehre der Bibel darf nicht wegen subjektiven Erfahrungen aufgegeben werden. Wer den Glaubensweg mystisch geht, hat sich nicht eine neue Methode gesucht, sondern schöpft aus der
langen Tradition von Mystikern im Laufe der Kirchengeschichte; in der Schweiz haben wir auch in Bruder Klaus ein Vorbild eines mystischen Gottsuchers.
Mystik als Chance der zukünftigen Kirche
Mystik als persönliches Suchen nach dem Göttlichen ist nicht auf das Christentum beschränkt, alle Weltreligionen kennen mystische Strömungen. Christliche Mystik hat einen erfahrbaren Glauben und eine Beziehung zu einem nahbaren Gott als Ziel. Lange genug wurde in Predigt und Unterricht Gott als strenger Richter, als omnipräsenter Aufpasser verkündet; dass man sich vor einem solchen Gott fürchten musste, war die logische Folge. In neuerer Zeit und im Sinne von Papst Franziskus wird Gott vermehrt als der Barmherzige verkündet. Dieses Gottesbild kann dem Menschen Vertrauen schenken, soll aber nicht dazu führen, dass Umkehr und Einsicht in schuldiges Verhalten abgeschafft werden. Aber die positive Ausrichtung der Mystik ist wirklich ein guter Weg im Glauben. Im Wesentlichen sind damit folgende Aspekte gemeint: Mit Gott kann der Mensch in Beziehung treten, sozusagen das Gespräch suchen. Gott kann zu uns sprechen durch andere Menschen, durch Gebet und durch das Studieren der Bibel. Ausdrucksformen mystischer Gotteserfahrung können das mantrische Beten (das Wiederholen einfacher Glaubensworte) oder stilles Meditieren oder einfache Lobpreisgesänge sein. Dadurch werden wir empfänglich für Gottes Sprechen in unser Leben, nicht nur im Sonntagsgottesdienst, nicht nur in der Kirche oder in kirchlichen Gruppen, sondern im Alltag. Im normalen Alltag erhoffen und erwarten wir Gottes Gegenwart. Diesen Ansatz haben Freikirchen schon lange zu ihrem Glaubensfundament gewählt. Die katholische Kirche kann davon lernen, dass verkopftes Denken und weltferne Theologie die Menschen heute nicht mehr anzusprechen vermögen; vielmehr soll ihnen ein Raum gegeben werden, dass sie Jesus und seiner Botschaft begegnen können. Eigentlich haben wir in der katholischen Kirche einen reichen Schatz an mystischen Gottsuchern: Meister Ekkehart, Teresa von Avila, Franz von Assisi, Hildegard von Bingen und viele mehr.
Gefahren von christlicher Mystik
Es gibt allerdings auch Gefahren auf dem mystischen Glaubensweg. Wenn der Mensch glaubt, Gott so begreifen zu können («So ist er und nicht anders»), dann macht er seine eigenen Gedanken zum Massstab. Paulus hat diesem Denken eine klare Absage erteilt: «Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unsere Erkenntnis ist Stückwerk.» Er meint damit, dass Gott für uns Menschen nicht begreifbar ist und immer Geheimnis bleibt. Ebenso muss auf dem mystischen Weg sorgsam unterschieden werden, was echt ist und was nur Produkt des persönlichen Verstehens ist; das Erlebte muss im Glauben geprüft werden. Auch ist Gotteserfahrung nie nur eigene Leistung, sondern immer Gnadengeschenk. Und schliesslich ist Mystik ohne die biblische Grundlage immer fragwürdig; die fundierte Lehre der Bibel darf nicht wegen subjektiven Erfahrungen aufgegeben werden. Wer den Glaubensweg mystisch geht, hat sich nicht eine neue Methode gesucht, sondern schöpft aus der
langen Tradition von Mystikern im Laufe der Kirchengeschichte; in der Schweiz haben wir auch in Bruder Klaus ein Vorbild eines mystischen Gottsuchers.
Matthias Rupper