Den interreligiösen Dialog mit den Muslimen pflegen.
80 % der 20 Millionen Menschen in Mali sind Muslime, 17 % sind Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen, die restlichen 3-4 % sind Christen, Katholiken und Protestanten. Die katholische Kirche schätzt, dass es etwa 300’000 bis 400’000 Katholiken im Land gibt. Die Christen leben meist im Süden, in der Gegend um San und im Dogonland im Zentrum des Landes. Im Norden sind die Christen meist Funktionäre, Lehrer, Verwaltungsangestellte oder Durchreisende.
„Mali ist ein Wüstenland"
Nach dem Sturz Gaddafis in Libyen kamen die Islamisten von dort her mit modernen Waffen und brachten den Terror. Gerade kürzlich am 21. 06. 2022 gab es ein Massaker mit 130 bis 190 Toten. Man kann nicht sagen, dass Christen speziell die Opfer sind. Das waren Muslime, Naturreligionen und auch einige Christen. Radikale Strömungen im Islam gibt es hier schon seit 20-30 Jahren. Es gibt Wahhabiten, die von Saudiarabien beeinflusst sind, die den saudiarabischen Islam nach Mali bringen wollen. Sie sagen, der einzig wahre Islam sei der, der zur Zeit Mohammeds in Medina um 630 gelebt wurde. Auch die Islamisten, die sich meist Salafisten nennen, wollen zurück zu den Ursprüngen. Das ist das Ideal. Der afrikanische Islam ist demgegenüber sehr tolerant, von den islamischen Bruderschaften, den Sufis geprägt, die den Koran aus einer spirituellen Gotteserfahrung lesen und nicht wortwörtlich umsetzen.
Zentrum „Glaube und Begegnung“
Seit dem Sichtbarwerden der radikalen Strömungen vor 20-30 Jahren haben die Erzdiözese Bamako und die Weissen Väter gesagt, wir müssen etwas tun, um Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen. Deshalb wurde das Zentrum „Glaube und Begegnung“ gegründet. Wir hatten von Anfang 2004 bis 2009 jeden Monat, ab 2010 bis heute alle drei Monate ein Thema, das von einem Christen oder einem Muslim oder von zwei Referenten vorgetragen wurde, worüber die Leute dann ins Gespräch kommen konnten. Es waren immer zwischen 50 und 100 Leute anwesend. Christen, Muslime, Katholiken, Protestanten, verschiedene Strömungen von Muslimen auch. Diese hören dann, das ist also die christliche Lehre, oder das ist, was wirklich im Koran steht, um eine objektive Kenntnis des anderen zu haben. Und diese Konferenzen gingen also weiter. Wir können sagen, dass wir schon so ähnlich sind wie ein Botschaftsgelände. In diesem Zentrum „Glaube und Begegnung“ schätzen wir einen jeden, wird jeder respektiert. Das muss auch so weitergehen. Und diese Vorträge werden dann umgearbeitet als Radiosendungen, das wird ausgestrahlt und erreicht so eine viel grössere Zuhörerschaft, gerade auch wenn das in Bambara übersetzt wird, in die Landessprache, wenn die Vorträge selbst in französisch sind.
Eine grosse Chance für uns sind die christlichen Schulen, an denen über 80 % Muslime sind. Da können wir auch Werte vermitteln wie Toleranz, Respekt, gegenseitiges Kennenlernen, Solidarität, sich helfen. Das ist ein Feld, das mit dem Zentrum „Glaube und Begegnung“ zusammengeht.
Gemeinsam Bäume pflanzen!
Mali war immer ein Beispiel des Zusammenlebens, Muslime, Katholiken, Protestanten, auch Naturreligionen, oft alle in der gleichen Familie. Deswegen ist das Zusammenleben ganz wichtig, dass du teilnimmst an den Freuden und Leiden deines Nachbarn. Das war ja Thema der diesjährigen Botschaft des Papstes an die Muslime. Das ist der Dialog im täglichen Leben. Dann gemeinsame Aktionen machen. Vor vier bis fünf Jahren hat man angefangen, gemeinsam Strassen sauber zu machen. Das gibt es heute überall. In der Diözese Ségou werden mit Bischof und Grossimam Bäume gepflanzt. Drei Mal im Jahr wird ein Schulhof ausgewählt und mit Bäumen bepflanzt, gemeinsam von Christen und Muslimen.
In den Schulen mit christlicher Trägerschaft in Ségou haben die Christen Religionsunterricht. In dieser Zeit haben die Muslimen frei. Wir haben gesagt, das ist nicht gut, die meisten Muslime kennen ihre Religion nicht. Die tun das, was ihnen der Imam sagt. Die sind eine leichte Beute für fundamentalistische Strömungen. Man hat dann den Gross-Imam gebeten, drei Religionslehrer zu geben. Diese unterrichten, während die Katholiken Religionsunterricht haben, die Muslime im muslimischen Glauben. Das ist ganz wichtig. Denn wenn du deinen eigenen Glauben kennst und dich darin ausdrücken kannst, dann wirst du nicht so schnell fanatisch.
Die grosse Chance für Mali ist, dass es sich um einen afrikanischen Islam handelt, der von der Sufi-Bewegung geprägt ist, vergleichbar mit unserem dritten Orden in Europa, der Spiritualität eines Franz von Sales, eines Franziskus oder Dominikus, im täglichen Leben gelebt. Die wollen nicht diesen arabischen, aufgezwungenen Islam. Sie sagen, wir sind keine Araber, wir haben eine andere Art und Weise, den Islam zu leben. Die Jihaddisten sagen dann, ihr seid keine richtigen Muslime, somit Feinde des wahren Glaubens, deshalb müsst ihr umgebracht werden.
Unsere Chefs, der Generalsekretär der Protestanten, der Kardinal für die Katholiken, die kommen morgens ins Zentrum, geben Konferenzen. Wir haben gute Kontakte, auch zu Ousmane Madani Haidara vom hohen Islam-Rat. Gerade wenn es gegen die Militärregierung geht, gegen den Staat, wenn die wieder etwas gemacht haben, was wirklich gegen die Menschenrechte ist, dann stehen die gemeinsam auf und sagen, ne ne, so geht das nicht. Das ist auf der höchsten Ebene. Unser Anliegen mit der Ausbildung im christlich-islamischen Zentrum ist, dass wir an die Basis kommen, deswegen müssen wir Leute von der Basis ausbilden. Die Leute, die die Ausbildung gemacht haben, die sind dann in ihren Gemeinden, damit jede Gemeinde, jede Pfarrei ihre zwei Leute hat, um den interreligiösen Dialog aufzubauen. Die sich dann engagieren in der Diözesankommission, in den verschiedenen Gruppierungen, die diese Brücken bauen.
Da kam kürzlich eine Anfrage in unser Zentrum „Glaube und Begegnung“: Wir haben einen „Tag der Jugend Islam und Christentum“. Das Thema ist „Die Rolle der Familie im interreligiösen Dialog für ein vereintes, versöhntes Mali“. Und ich solle kommen und einen Vortrag halten. Ich sagte, ich kann nicht kommen, aber wir haben ja die Leute, die ausgebildet wurden. Dann habe ich das mit What’s App abgeschickt, wir haben eine Anfrage und das ist das Thema. Wer kann sich frei machen und dahin gehen? Da hat sofort ein Pastor geantwortet, ein junger Mann, er sagte, ich fahre dahin. Ich sagte, okay, bereite das vor, und am Freitag ist er dahingefahren. Samstag hat er den Vortrag gehalten. Der Bischof war da, Muslime, Imame. Der Bischof sagte, das Zentrum bildet ja richtige Conferenciers, Redner aus. Die Idee ist ja, dass jede Gemeinde ein bis zwei Leute haben, die eine Ahnung vom Islam, vom interreligiösen Dialog haben.
Interreligiöser Dialog weltweit!
Den interreligiösen Dialog gibt es auch in der Schweiz. Wir waren in Oberrohrdorf. Da hat mir eine Frau gesagt, wir haben Gruppen vom interreligiösen Dialog. Wir treffen uns jeden 16. des Monats. Mit Juden, Christen und Muslimen. Wir haben immer ein Thema, das muss einer vorbereiten. Ich bin fest überzeugt, fragen sie bei der Diözese nach, da gibt es einen Beauftragten für den interreligiösen Dialog. Es gibt keinen Frieden in der Welt, wenn es keinen Frieden unter den Religionen gibt. Das ist unser grosses Anliegen jetzt. Vor zwei Jahren wurde in Mali der „Interreligiöse Rat für Frieden“ gegründet. Das ist eine Weltorganisation, die mit der UNICEF affiliert ist, das sind die „Religions for Peace“. Sie haben einen Sitz an der UNO.
In Afrika heisst es „The African Council for Religious Leaders“, der Sitz ist in Nairobi. Das gibt es jetzt in 41 Ländern Afrikas. Wir haben die Statuten für Mali ausgearbeitet. Es gibt fünf Präsidenten: Den Vorsitzenden vom Islam-Rat und seine zwei Vizepräsidenten, ein Kardinal für die Katholiken und der Generalsekretär für die Protestanten. Die machen es unter sich aus, wer in jedem Jahr den Vorsitz führt. Und dann gibt es ein Büro, da sind 15 Leute drin. Davon sind neun Muslime, drei Katholiken und drei Protestanten. Für die 2-3 Prozent der Bevölkerung, die wir Christen sind, sind wir sehr gut vertreten. Wenn wir dann ein Treffen haben, betet am Anfang immer der Christ, ein Protestant oder ein Katholik. Wir beten zuerst „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“. Denn wir sagen, jeder muss in seiner Tradition frei sein, zu beten. Die Muslime sprechen dann die Eröffnungssure, und wir hören zu. Die erste gemeinsame Aktion war Sensibilisierung gegen Covid. Alle religiösen Führer machten Radiobotschaften: Tragt Masken, desinfiziert euch die Hände, haltet Abstand usw. Das war die erste grosse Aktion. Und jetzt im Februar war die zweite Aktion, war ich eingeladen, im Rahmen von „Laudato si“, die Bewahrung der Schöpfung. Da geht es um Wiederaufforstung, gerade auch um Frauen und Jugendliche zu stärken. Das ist ein grosses Feld im interreligiösen Dialog, die gemeinsamen Aktionen. Das machen auch die Muslime vom Vorsitzenden des Islamrates. Die haben gesagt, wir machen einen ganzen Tag das Gelände eines Krankenhauses sauber, und haben auch die christliche Jugend dazu eingeladen. Oder organisieren Fussballtourniere, einfach, damit die Leute sich begegnen.
Einführung über den Islam!
Dann haben wir, was man das Pastoraljahr des PISAI nennt. PISAI ist das päpstliche Institut für arabische und islamische Studien in Rom. Und das ist eine der besten Universitäten, was Islamologie angeht. Die machen viel in Arabisch. Und hier sagen viele, wir hier in Afrika, wir brauchen kein arabisch. Wir brauchen pastorale Ausrichtung, und dann wurde dieses Pastoraljahr gegründet, um den Priestern, den Schwestern, Gemeindeleitern, engagierten Jugendlichen, allen, die irgendwie mit dem Islam zu tun haben, eine fundierte, objektive Kenntnis über den Islam zu geben. Einführung in die Grundrealitäten des Islams. Wer war Mohammed, was ist die Geschichte der Offenbarung, der Koran, die Hadditen, die Geschichte der christlich-islamischen Beziehungen die Jahrhunderte hindurch bis heute. Bis zu der gemeinsamen Erklärung von Abu Dhabi am 04. Februar 2019 zwischen dem Papst Franziskus und dem Gross-Imam der islamischen Universität Al Azhar in Kairo. Da ist ja schon ein langer Weg durchlaufen worden. Dann auch christliche Reflexion über die Realitäten des Islam. Welche Theologie? Was wenn du Gott sagst für die Christen oder wenn du Gott sagst im Islam? Was sind die Unterschiede und was sind die Gemeinsamkeiten? Die Muslime werfen uns immer vor, wir erkennen Jesus als Propheten an, warum anerkennt ihr Mohammed nicht als Propheten? In dem Moment, wenn ein Christ Mohammed in der biblischen Konnotation als Propheten anerkennt, dann ist er kein Christ mehr. Das gleiche mit Jesus. Wenn du sagst, Jesus ist Gottes Sohn, dann bist du kein Muslim mehr. Es gibt Gemeinsamkeiten und es gibt Unterschiede. Der Dialog lebt nur davon, dass jeder wirklich er selbst ist. Das muss man den Leuten, die diesen Kurs mitmachen, auch beibringen. Dass es nicht darum geht, seine eigene Identität unter den Tisch zu kehren oder zu verschweigen, denn dann kannst du dem anderen ja nichts Neues geben. Wir als Christen haben ja auch die Verpflichtung, Jesus Christus zu verkünden. Nicht unbedingt mit Worten, sondern durch unsere Art und Weise zu leben. Die Leute, die diese acht Monate Ausbildung gemacht haben, die gehen zurück in ihren Verein, und halten da Vorträge. Wie ist die Stellung der Frau im Islam, oder über den Koran, oder über Ramadan, und können da den Christen helfen, die Realität der Muslime besser zu verstehen. Wir haben sehr viel Dialog auf zwischenmenschlicher Ebene.
Das päpstliche Institut für den interreligiösen Dialog in Rom, die haben 1991 ein Büchlein herausgebracht: „Dialog und Verkündigung“. Excellent! Was versteht die katholische Kirche unter Dialog? Die katholische Kirche versteht unter Dialog L’Ensemble (das Ganze) der positiven Beziehungen zwischen den verschiedenen Religionen im Wunsch, sich gegenseitig kennenzulernen. Was sind die Hindernisse für den Dialog? Zum Beispiel wenn jemand seine eigene Religion nicht kennt, dann fühlt er sich schnell angegriffen. Wenn du aber antworten kannst, hast du auch keine Angst. Das ist oft bei den Dschihadisten der Fall. Denen hat man nur gesagt, das ist so, Punkt. Aber die wissen nicht wieso und warum.
Was denken Muslime in Mali über Christen?
---In vielen arabischen Ländern ist es doch so, dass den Muslimen schon in der Schule erzählt wird, dass Christen Ungläubige seien. Ist es in Mali auch so?
Das steht nicht im Koran. Die Basis für den Islam ist der Koran, dann die Hadithen, die Sunna. Im Koran sind die Christen „Leute des Buches“. Und im Koran steht, Sure 29 Vers 46: „Mit den Leuten des Buches habt nur den allerfreundlichsten Austausch. Unser Gott und euer Gott ist der Gleiche“. Sure 49 Vers13: „Wir haben euch aus einem Mann und einer Frau gemacht, das war der Ursprung, dann in Gruppen und Stämmen und Religionen aufgeteilt, damit ihr einander kennenlernt. In den Augen Gottes ist der beste Mensch der, der am meisten auf Gott hört“. Das kann ein Christ sein oder ein Muslim. Sure 10 Vers 99: „Wenn Gott gewollt hätte, dann hätte er gemacht, dass alle Leute Muslime wären. Ist es an dir, die Leute zu zwingen, gläubig zu werden“? Das steht im Koran. Nirgends im Koran steht, dass Christen Ungläubige seien. Nirgends! Ungläubige sind die Vielgötteranbeter. Wir sind die Assozianisten, wir assoziieren jemand anderen, die Dreieinigkeit. Für die Muslime gilt, Gott Vater hat mit der Maria das Kind Jesus gemacht. Gut, dann sagen wir, das ist nicht so ganz richtig, das ist nicht unser Glaube. Das ist im Koran.
---Die Muslime sagen, die Bibel ist gefälscht. In gewissen Ländern wird den Muslimen gesagt, wenn du einen Christen umbringst, kommst du direkt ins Paradies. Gibt es solche Sachen auch in Mali?
Bei den Dschihadisten ganz sicher, aber das ist ganz sicher kein Allgemeingut für die Muslime in Mali. Eben weil so viele Kontakte bestehen, keine Ghettos. Wir waren immer überall, hatten viele Kontakte. Die Bibel ist verfälscht in den Augen der Muslime, warum? Mohammed hat eine Gotteserfahrung gemacht, das stimmt ohne Zweifel. In Mekka mit der Vielgötterei, den 360 Gottheiten der verschiedenen arabischen Stämme, zog sich Mohammed in die Wüste zurück, in eine Höhle, und hat da eben erfahren, es gibt nur einen Gott. In Mekka gab es Juden, in Medina gab es Juden, auch Christen, Monophysiten. Die Juden glauben an den einen Gott, die Christen glauben an den einen Gott, das stimmt, Gott ist nur einer. Und diese verschiedenen Offenbarungen, die Mohammed hatte, die wurden niedergeschrieben. Da wurden auch die biblischen Propheten beschrieben. Das was er wusste, liegt auf einer Linie von Adam, Abraham, Moses, David (Psalmen), Jesus. Und er sagte dann, Gott hat immer gewollt, dass alle Leute nur an den einen Gott Allah glauben. Und deswegen hat er Moses geschickt, die Thora für die Juden, dann hat er Jesus Christus geschickt mit dem Buch für die Christen, und jetzt endgültig kommt die wahre Version im Koran für die gesamte Menschheit. Und all das was in der Thora und im Evangelium nicht mit dem Koran übereinstimmt, dann hat man es gefälscht. 1976 war hingegen eine grosse Konferenz von Islam- und Christgelehrten in Tripoli. Die haben gesagt, Bibel und Evangelium sind nicht gefälscht, das ist eigenständige Offenbarung. Leute, die sich nicht gut damit auskennen, denen kann man alles Mögliche erzählen.
Mohammed wurde ja angegriffen von den Leuten aus Mekka, und musste Verteidigungskriege führen, damit der Islam nicht gleich von Anfang an ausgerottet wurde. Das sind die Kämpfe gegen die Ungläubigen, und die Ungläubigen waren die „Heiden“ aus Mekka. Die, die an die vielen Götter glaubten. Deshalb „kämpft und tötet sie“! Die Christen hatten immer eine Sonderstellung. Sie sind die Leute des Buches, die „die Offenbarung vor uns erhalten haben“.
Christen im Koran
Wir hatten eine sehr interessante Veranstaltung, das war 2018, einen Tag über christlich-islamische Ehe. In der Sure 5 steht drin, dass ein Muslim jemand von den Leuten des Buches heiraten kann, aber nicht umgekehrt. Ein Christ kann keine Muslimin heiraten. Einfach weil das Leute abzieht von der Gemeinschaft. Das Ziel ist ja, dass die Gemeinschaft der Muslime wächst. Dann sagte der muslimische Redner: Der Koran sagt, keine Heirat zwischen einem Gläubigen und einem Ungläubigen. Ja, sagt er, sind die Christen denn Ungläubige? Dann zitierte er den Koran Sure 4 Vers136 Die Frauen: „Es sind Gläubig die, die an den einen Gott glauben, an die heiligen Bücher, an die Propheten, an die Engel und an das letzte Gericht“. Die Christen glauben an Gott, sie glauben an die Schriften, sie glauben an die Propheten, sie glauben an die Engel und sie glauben an das letzte Gericht. Ergo sind Christen Gläubige, also ist die Heirat erlaubt. Viel Gemurmel im Saal, aber das war die Argumentation, und da konnten sie nichts dagegen sagen.
Im Koran steht mehrmals, dass Christen Gläubige sind. „Kouffre“ sind wirklich Atheisten, die leugnen, dass es einen Gott gibt. Die Christen haben einfach eine andere Art und Weise, Gott zu sehen. Das Problem ist auch, dass es keine Hierarchie im Islam gibt. Im Islamrat sagen sie, wenn bei Beratungen alle 144 Strömungen ja sagen, dann sagen wir „Im Namen des hohen Islamrates“. Wenn nur ein oder zwei nicht einverstanden sind, sagen wir gar nichts. Dann gibt jede Gruppierung ihre eigene Orientierung heraus. Die Universität Al Azhar, das ist die Chance bei dieser gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus und Dr. Ahmed al- Tayyeb. Er ist der Gross-Imam. Das ist die! grosse sunnitische Universität in Kairo, die haben einen grossen Ruf. Die geben schon Orientierung, aber nichts Verpflichtendes wie von Rom.
Christen im Visier der Islamisten?
Als 2012 Al Kaida und Islamischer Staat Mali überrannt haben, da ist die Baptistengemeinde in Timbuktu, die zählte etwa 400 Leute, die sind alle geflohen, mussten alle fliehen, das war klar. Sie wurden in Bamako vom Kardinal Jean Zerbo aufgenommen. Am 28. März, am Palmsonntag fiel Gao, und keiner hat gedacht, dass Gao fallen kann, da dort eine amerikanische und eine französische Garnison lagen. Den ganzen Tag wurde geschossen. Eine Woche vorher hatten die Patres eine Besprechung gemacht und gesagt, wir bleiben. Dann kam jemand um 18.30 Uhr daher gerannt und sagte, haut ab, die suchen die Priester. Da haben sie das Nötigste zusammengeklaubt, die Autos voll getankt und sind abgereist mit den Schwestern. Sie sind dann noch auf der Strasse in einen Hinterhalt geraten, wurden beschossen, sind aber gut durchgekommen. Man kann nicht sagen, dass die Christen speziell gesucht werden. Bei dem Massaker vor drei Tagen im Dogonland, die Opfer waren Muslime, Naturreligionen und ein paar Christen waren auch dabei. 2019 wurde das Dorf Soban Dah platt gemacht, da waren über hundert Tote. Das waren Katholiken. Die Dogon-Milizen haben dann auch ein muslimisches Peul-Dorf platt gemacht. Das ist aber nicht gegen die Christen speziell gedacht. Sie sind einfach Teil des Kollateral-Schadens.
Der Staat verhandelt mit der Terrororganisation Katiba Macina und mit dem Anführer Amadou Koufa, weil sie sagen, die ersten Islamisten waren Ausländer aus dem Niger, die kamen überall her. Es waren auch Pakistani dabei und Afganen und alles mögliche. Aber jetzt Amadou Koufa, das sind Peul, Fulbe, das sind Malier. Wir können nicht einfach unsere eigenen Leute tot machen, deswegen müssen wir mit denen verhandeln. Amadou Koufa, der will das grosse Fulanireich wieder aufleben lassen, das es 1840 gab mit El Hadsch Omar, das ist so sein Traum. Es ist nicht so, dass die Christen dauernd mit terroristischen Angriffen rechnen müssen. Alle müssen damit rechnen im Dorf, ob das Christen oder Muslime sind, die Christen nicht spezifisch. Wir könnten eventuell Ziel sein, wir Priester, Ordensleute.
Die Islamisten und auch die malische Armee haben Kriegsverbrechen begangen. Die Probleme können nicht allein mit militärischen Mitteln gelöst werden, sondern nur durch Entwicklung. Da ist die Armut und die Perspektivlosigkeit, die Korruption, die arbeitslose Landjugend, die die Leute den Islamisten in die Hände treiben, denn da bekommen sie Geld.
Instabile politische Lage.
Seit dem 18. August 2020 ist eine militärische Übergangsregierung an der Macht. Im Mai 2021 gab es noch einmal einen Putsch im Putsch. Der von der Westafrikanischen Staatengemeinschaft geforderte, zivile Übergangspräsident Bah NDaw wurde abgesetzt, weil er die Macht der Militärs beschränken wollte. An seiner Stelle wurde der erste Putschist Colonel Assimi Goita als Übergangspräsident eingesetzt. Dann gab es eine nationale Konferenz, die die Übergangszeit auf fünf Jahre festlegte. Darauf wurden finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen gegen Mali verhängt. Die militärische Übergangsregierung hat dann mit einem Dekret die Übergangszeit auf zwei Jahre vom 26. März 2022 bis 26. März 2024 festgelegt. Die Sanktionen wurden am 4. Juli grösstenteils aufgehoben. Die Übergangsregierung hat alle Gewerkschaften, besonders die der Lehrer, zu einem Waffenstillstand aufgerufen.
Auch militärisch hat sich die Lage verändert. Die französischen Soldaten, die zuerst erfolgreich gegen die Islamisten im Norden gekämpft hatten, wurden vor die Türe gesetzt. Stattdessen wurden Söldner der russischen Wagner Gruppe, als Militärberater deklariert, ins Land geholt, worauf die Europäische Union sich von der Ausbildung des malischen Militärs zurückzog. Die UNO ist als MINUSMA mit vielen Truppen, vor allem aus westafrikanischen Ländern, präsent. Auch Deutschland, das in Mali sehr geschätzt wird, ist bei der MINUSMA beteiligt. Das offizielle Fernsehen ORTM berichtet nur noch über die Erfolge der malischen Armee und nichts mehr über die Attentate der Terroristen, die nach wie vor weitergehen. Insider sagen, dass die malische Armee der grösste Waffenlieferant der Terroristen ist. Wenn man das öffentlich sagt, kommt man ins Gefängnis oder wird des Landes verwiesen. Die militärische Übergangsregierung hat jedoch bei der einfachen Bevölkerung, bei Christen und Muslimen, Zuspruch und Rückhalt. Insbesondere wegen deren populistischer Propaganda.