Fastenpredigten: Eine Spiritualität für den Alltag

Da empfängt Mose den Namen Gottes: «Ich bin da». Das ist aber mehr als nur ein Name, es beschreibt das bleibende Wesen Gottes: Er ist immer da für den Menschen, in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in Zukunft. Mit einer Wahrnehmungsübung konnten die Zuhörenden spüren, dass Glauben nicht nur eine Verstandessache ist, sondern auch mit den Sinnen erfahren werden muss.
Wiborada, Inklusin in St. Gallen
Wiborada war eine adelige Frau im 10. Jahrhundert und hat schon zu ihrer Zeit einen Weg zu einer persönlichen Spiritualität gefunden. Sie entschloss sich nach einer Pilgerreise nach Rom, nicht in einen Orden einzutreten, sondern als Inklusin, als eingeschlossene Frau, den Glauben im Alltag zu leben. Auf Anordnung des Bischofs von St. Gallen wurde für Wiborada eine Zelle bei der Kirche von St. Mangen eingerichtet. Dort lebte sie von 916 bis zu ihrem Tod als Märtyrerin im Jahre 926 beim Hunneneinfall. Durch ihr asketisch frommes Leben wurde sie eine Prophetin, Ratgeberin und Beterin wie Bruder Klaus im 15. Jahrhundert. So brachten die Leute in der Umgebung ihre Fürbitten zu ihr an ihr Zellenfenster. Obwohl Wiborada die erste Frau war, die in der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde, ist sie weitgehend in Vergessenheit geraten, weil ihre Geschichte sperrig ist und für die moderne Zeit nicht anziehend wirkt. Hildegard Aepli hat die Lebensweise einer Inklusin wieder bekannt gemacht, so können Menschen, die sich dazu entschliessen, noch bis Ende 2026 eine Woche lang in der Zelle bei St. Mangen inkludiert leben.
Eine persönliche Alltagsspiritualität
Das Beispiel von Wiborada führte zum letzten Schritt: Wie können wir heute zu einer persönlichen Alltagsspiritualität finden? Da wir in einer Gesellschaft der Macher leben, ist es nötig, das Wahrnehmen vor das Denken und Tun zu stellen. Die Frage: Wie nehme ich mich wahr? haben wir wieder neu zu stellen. Denn in Notsituationen hilft nicht zuerst das Denken, der Intellekt, sondern das Wahrnehmen. Was uns dann zur persönlichen Spiritualität hinlenken kann: Wahrnehmen führt zum Leben aus dem Glauben; Wahrnehmen und persönliches Aufnehmen sind Geschwister. Im Segensgebet so in Worte gefasst: «In die Enge deines Alltags – und in die Weite deiner Träume – und in die Kräfte deines Herzens lege ich meine Zusage: Ich bin da!» Mit grossem Interesse und mit wachem Herzen nahmen die vielen Teilnehmenden die Worte von Hildegard Aepli dankbar auf.