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Demut

10. Oktober 2023
In einer modernen katholischen Zeitschrift wird eine ganze Nummer dem Thema «Demut» gewidmet.

Eigentlich erstaunlich, weil dieses Wort wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Wer eine Stelle ausschreibt, wird ganz sicher nicht Demut im Eignungsprofil aufführen. Die verschiedenen Artikel zeigen aber, dass die Eigenschaft Demut überhaupt nicht verstaubt ist, unbrauchbar für unsere Zeit und Gesellschaft.

Demut in Geschichte und Religion 

Zuerst muss ein immer wieder auftauchen- des Missverständnis geklärt werden: Demut meint nicht eine unterwürfige Haltung, ein kriecherisches Verhalten oder eine Selbsterniedrigung. Im Verlauf der Geschichte gab es verschiedene Deutungen von Demut. Bei den Griechen und Römern war Demut eine Tugend und wurde als ehrfurchtsvolle Selbstbescheidung des Menschen vor den Göttern und dem Schicksal bezeichnet. Im Judentum und Christentum bedeutet Demut, dass der Mensch die Allmacht Gottes anerkennt. Als einer, der «sich herabbeugt», begegnet der Mensch seinem Schöpfergott und widersteht dem Hochmut. Damit leugnet er nicht den eigenen Wert, sondern kann sich realistisch einschätzen: dass er gering ist im Vergleich mit der Grösse Gottes, aber doch seinen Wert hat als Kind Gottes. In der Benediktsregel wird das Wirken der Demut so beschrieben: «Durch Selbsterhöhung steigen wir hinab und durch Demut hinauf.» Papst Johannes XXIII. in seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit sagt es so: «Der Herr liess mich aus dem armen Volk geboren werden und hat an alles Übrige gedacht. Ich habe ihn machen lassen.» Auch die Psychologie hat sich mit dem Begriff befasst: Als emotionale Haltung ist Demut die Voraussetzung dafür, dass der eigene Narzissmus überwunden wird, und als Bescheidenheit steht sie der Arroganz entgegen.

Wie Menschen heute darüber nachdenken 

Ein Clown geht von seiner Rolle aus: Der Clown ist ja eine gescheiterte Persönlichkeit, aber er kämpft immer wieder gegen das Scheitern an. Diese Hingabe versteht er als Demut: «Ich bin dann wie ein Puzzleteil, weil man Teil eines Grossen und Ganzen ist». Schülerinnen in der Ausbildung zu einem Pflegeberuf machen verschiedene Erfahrungen: «Der Gedanke an ein schwerkrankes Mädchen hat mich demütig gemacht. Mir wurde bewusst, wie froh man über seine Gesundheit sein kann.» Daraus kann dann eine berufliche Haltung wachsen: die Patienten so zu nehmen, wie sie sind, ihre Art zu akzeptieren; man muss versuchen, sie zu verstehen. Das Psychologische Institut der Universität Zürich kommt 2017 zu diesem Schluss: Demut ist eine Bereitschaft, die Grenzen des eigenen Selbst, damit auch eigene Schwächen, zu akzeptieren und sich der eigenen Kleinheit bewusst zu sein, angesichts der gewaltigen Grösse der Welt.

… selbst im Management

Auch im harten Wirtschaftsleben wird Demut nicht als Leerformel abschätzig behandelt wird: «Demut ist kein Führungsstil, sondern eine Tugend, die dem Führen zugrunde liegt und die man erlernen kann.» Das führt zu einfachen Führungsprinzipien: Demut hat, wer die eigenen Stärken und Schwächen erkennt (Selbstführung), andere dafür anerkennt, was sie tun (Wertschätzung), immer lernbereit und offen ist (Lernbereitschaft) und versteht, dass der einzelne Mensch nur ein kleiner Teil eines grösseren Ganzen ist (Bescheidenheit). Eine Unternehmensberaterin zieht einen Vergleich mit einem Dirigenten: Dieser muss integrieren, mal laut, mal leise ansagen, eine Einheit im Orchester schaffen. Ein Dirigent muss seinen Musikern vertrauen, ihnen Respekt und Anerkennung entgegenbringen.

Demut als Glaubenshaltung

In der Bibel finden wir viele Beispiele und Worte, welche die Stolzen vom hohen Ross holen; ihr Hochmut und ihre Selbstherrlichkeit wird von Gott und Jesus scharf kritisiert – die Ersten werden die Letzten sein; wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, die Reichen haben ihren Lohn schon erhalten. Dagegen wird den Gedemütigten die Hilfe und der Schutz Gottes zugesprochen, sie haben Würde und Achtung bei Gott. Und Gott erhebt sie zu seinen Helfern: «Selig die Sanften, ihrer ist die Erde. Mach uns zu deinen Helfern und hilf durch uns deinen Kindern in aller Kreatur» (Psalm 8). Die Demütigen sind die Sanften und die Friedfertigen und des reinen Herzens, wie sie in der Bergpredigt (Mt 5,1ff.) genannt werden. Dass zur Demut auch das Tun, der Widerstand und das positive Selbstwertgefühl gehören, kommt wohl selten so erhaben zum Ausdruck wie im Magnificat, das Maria jubelnd heraussingt: «Meine Seele erhebt den Herrn, denn erhoben hat mich mein Gott aus meiner Niedrigkeit. Denn er hat Grosses an mir getan, der heilige Gott. Barmherzig waltet er über uns von Generation zu Generation, freundlich begegnet er denen, die ihn fürchten. Die aber sich selbst für Gott halten, zerstreut er wie Sand. Er stösst die Mächtigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen sättigt er mit Fülle, die Reichen stehen mit leeren Händen. Er nimmt sich unser an und gewährt uns seine Güte.» (Lk 1,36 ff.)   Eine junge Frau, demütig in ihrer Haltung, aber kraftvoll in ihrer Ausstrahlung – so will Demut verstanden und gelebt sein!

                                                                                     

Matthias Rupper