Diakonie – Hauptaufgabe der Kirche
Eine der vier Grundaufgaben der Kirche ist die Diakonie, die Sorge für die Armen in der Gesellschaft.
Armut in der Schweiz
Ein Mitarbeiter der CARITAS Schweiz erklärte uns, was unter Armut in der Schweiz zu verstehen ist. Da sind zuerst falsche Vorstellungen zu korrigieren. In der Schweiz verhungert niemand, und es stirbt auch niemand, weil der Zugang zu medizinischer Versorgung nicht möglich ist. Die ausgewiesenen Zahlen machen trotzdem nachdenklich: 2019 waren fast 9 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen, das sind über 700‘000 Menschen. Dazu gibt es noch einmal fast 600‘000 Menschen, die am Existenzminimum leben, also nur knapp über die Runden kommen. Gesamthaft ist also jede sechste Person in der Schweiz an der Armutsgrenze. Was ist nun genau unter Armut zu verstehen? Die Antwort ist relativ einfach: Armut bedeutet, zu wenig Geld zum Leben zu haben. Damit sind folgende Faktoren gemeint: Geldsorgen, Alltägliches ist nicht mehr leistbar, ungesunde Ernährung, schlechte Wohnverhältnisse, ungenügende Förderung der Kinder. Zu denken geben muss auch die Tatsache, dass Haushalte mit tiefen Einkommen im Jahr 2019 weniger zum Leben hatten als im Jahr 2000.
Was zu Armut führt
Die Gründe, die zu Armut führen, sind auch eingehend untersucht worden. Zu den Risikogruppen gehören Menschen, die nur über eine geringe Bildung verfügen. Betroffen sind ebenso Menschen, die in Tieflohnbranchen arbeiten. Dann sind Alleinerziehende, vor allem Frauen, schnell an der Armutsgrenze; was anderen Kindern problemlos möglich ist an sportlicher oder musischer Bildung, das können Alleinerziehende oft nicht schaffen. Auch Personen über 65 Jahren gehören zu den Armutsgefährdeten, wenn sie zu wenig sparen konnten. Wer schon früh Schicksalsschläge erlitten hat, ist oft physisch oder psychisch eingeschränkt und häufig von Armut betroffen. Und auch ausländische Bewohner der Schweiz kennen Armut als Alltagsproblem und müssen damit leben.
Christliches Grundanliegen
Als Christen und als Kirche sind wir verpflichtet, den Armen zu helfen. Dieses Anliegen vertreten auch andere Religionen; im Islam ist die Armensteuer eine der 5 Säulen ihres Glaubens. Der Glaube verpflichtet den Menschen also dazu, für Menschen in Not zu sorgen. Für uns ist Jesus der Massstab. Er hat nicht nur gepredigt und die Menschen dann weggeschickt, sondern für sie gesorgt: Hungrigen hat er zu essen gegeben, Kranke hat er geheilt, Ausgestossene hat er in die Gemeinschaft zurückgeführt, Schuldigen hat er Vergebung geschenkt. Das wird besonders deutlich in der Schilderung vom Endgericht: «Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben» – und viele andere Beispiele von menschlicher Armut. Wer Jesus nachfolgen will, muss sich um die Armen in unserer Welt kümmern, in welcher Form auch immer.
Diakonie
Die Seelsorge für die Armen nennen wir Diakonie. Das geschieht auf verschiedenen Wegen: Die Kirchensteuer ermöglicht Diakonie; unsere Kollekte in den Gottesdiensten unterstützt viele Institutionen, die sich um Arme kümmern; privat können
wir Hilfswerke nach freier Wahl unterstützen. Das ist die offizielle Diakonie. Allerdings ist Diakonie in den Budgets der Kirchgemeinden eher ein untergeordneter Faktor. Was aber auf einen schwierigen Umstand zurückzuführen ist: Oft kennen wir die Armen in unseren Pfarreien nicht. Und wenn Aufrufe gestartet werden, dass sich armutsbetroffene Personen melden sollen, so nehmen es die Angesprochenen nicht in Anspruch aus Schamgefühlen. Wir fühlen uns dann machtlos und auch überfordert – wie erkennen wir die Armen unter uns, und wie gehen wir auf sie zu? Dann übergeben wir diese Aufgabe gerne den Fachpersonen und den Hilfswerken. Das ist grundsätzlich richtig, aber es darf nicht dazu führen, dass wir das Anliegen einfach delegieren und damit aus den Augen verlieren. Diakonie, der Dienst für die Armen, ist die Aufgabe einer christlichen Gemeinde und auch von mir persönlich.
«Open Place» – Diakonie an der Basis
In Kreuzlingen hat der evangelische Pfarrer Damian Brot eine Aktion ins Leben gerufen, die den diakonischen Einsatz als Aufgabe einer Kirchgemeinde sichtbar macht. 2014 wurde dieses Projekt ins Leben gerufen. Die Ziele sind ganz einfach und für alle verständlich: Open Place soll ein Ort sein, wo alle Menschen willkommen sind, unabhängig von ihrem kulturellen und religiösen Hintergrund. Zum Angebot dieser Hilfsstelle gehören die Abgabe von Lebensmitteln, die kostenlose Verpflegung in einem Café in der Kirche, eine Kleiderbörse, ein Kunst-Atelier, Veranstaltungen in der Erwachsenenbildung und regelmässig ein gemeinsames Kochen und Essen in einer neuen Küche, die mit Spenden eingebaut werden konnte. Es brauchte einige Zeit, bis die Kirchgemeinde dieses Projekt als Seelsorgearbeit eines Gemeindepfarrers gutgeheissen hat. Inzwischen ist Open Place anerkannt und macht Diakonie sichtbar, nicht weit weg in anderen Kontinenten, sondern im Leben einer Schweizer Kirchgemeinde. Da sollen die Menschen, die es brauchen, einen Ort finden, wo sie Hilfe finden und zur Ruhe kommen können in einer Atmosphäre, die ihnen Geborgenheit und einen Abstand von ihren Sorgen des Lebens bietet. De Pfarrer hat die Initiative ergriffen, aber die Arbeit leisten viele freiwillige Mitarbeitende. Die Vision des Projektes ist einfach und klar: «Wer du auch bist, woher du auch kommst … herzlich willkommen im Open Place». Für uns in Arbon war dieses Projekt eine Inspiration, um auch hier vor Ort eine Begegnungsmöglichkeit für Menschen zu bieten, miteinander Kaffee, Kuchen und das Leben zu teilen. So entstand vor einem Jahr das Kafi Zischtig, das am ersten und dritten Dienstag im Monat in der Musikschule Rondo seine Türen öffnet. Schauen Sie doch auch mal vorbei. Diakonie ist eine Hauptaufgabe der Kirche, ganz im Sinne der Botschaft von Jesus.