Die Feier der Osternacht

Ich liebe das intensive Mitgehen, das Hineingenommenwerden in das Geheimnis von Freude und Trauer, Tod und Auferstehung.
Jedes Jahr berühren mich die Texte aufs Neue, wenn Jesus nach Jerusalem einzieht und die Menschen ihm zujubeln, mich berühren die Worte in der Abendmahlfeier, wenn der Priester spricht: «Und das ist heute», mich erschrecken die Schreie der Menschen, die damals das «Kreuzige ihn» rufen, weil die Grausamkeit und Vernichtungsrufe bis heute nicht verstummt sind.
Das Durchschlagen der Nägel durch Arme und Füsse Jesu – nüchtern zusammengefasst in das Wort: «Und sie kreuzigten ihn», der letzte Atemzug mit der Bitte: «Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun». Ich kann sie fast spüren, die Trauer der Freunde und der Mutter, denn sie spricht in die Trauer jedes Verlustes, den wir erleiden müssen. Die Panik und Leere, die Angst und Sprachlosigkeit, als der Stein vor das Grab gerollt wird, führt mich vor das Grab der vielen Menschen, deren Tod wir betrauern. Dann die Stille des Karsamstags, das Aushalten, das Wartenmüssen – ein Tag ohne Eucharistiefeier – die Abwesenheit des Herrn symbolisiert durch die Leere der Kirche und den offenen Tabernakel.
Die Feier der Osternacht, der Vigil, der längste Gottesdienst im ganzen Jahr. Die Fülle der Texte, die Lieder, die Symbole und Riten nehmen uns hinein in den grossen Bogen der Geschichte Gottes mit uns Menschen. In der Dunkelheit, noch vor der Kirche am Feuer, beginnen wir mit dem Segen des Lichtes und sprechen in die Nacht: «Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.» Dieses ewige Licht, das die Auferstehung sichtbar macht, wird in die dunkle Kirche getragen. Welch besonderer Moment, wenn das Feuer die Kerze in der eigenen Hand entzündet. Damit die Hoffnung und Sehnsucht, dass im eigenen Leben, trotz der Dunkelheit, ein Licht leuchtet. Dann werden wir selbst hineingestellt in die Geschichte Gottes mit den Menschen, beginnen wir in der Schöpfungserzählung, stehen mit Abraham vor der Entscheidung den Sohn zu opfern und ziehen mit den Israeliten durchs Meer, hören über den ewigen Bund aus dem Munde Jesajas und mit dem Aufbrausen der Orgel von den Worten der Auferstehung.
Etwas später begegnet uns das zweite Symbol der Feier, das Wasser der Taufe, das den Gläubigen Anteil an der Auferstehung schenkt. Das eigene, ganz bewusste «Ja, das glaube ich» in der Tauferneuerung wird spürbar, wenn das Osterwasser in der Kirche ausgeteilt wird.
Das dritte Symbol, Brot und Wein zieht uns zurück in die Vergegenwärtigung des letzten Abendmahles, des Todes und in die Auferstehung. Bei jeder Eucharistie feiern wir die immerwährende Hingabe Jesu für unser Leben.
Licht, Wasser, Blut – diese Zeichen werden uns in der Osternacht geschenkt und wollen uns Jahr für Jahr helfen, das grosse Geheimnis von Ostern zu erfahren, zu erleben und zu verstehen.
Ich freue mich schon jetzt auf diese heilige Nacht, dass wir gemeinsam feiern, beten, singen und natürlich im Anschluss auf den Sieg des Lebens anstossen! Jetzt schon wünsche ich Ihnen gesegnete Ostern.
«Frohlocket, ihr Chöre der Engel,
frohlocket, ihr himmlischen Scharen,
lasset die Posaune erschallen,
preiset den Sieger, den erhabenen König!
Lobsinge, du Erde,
überstrahlt vom Glanz aus der Höhe!
Licht des grossen Königs umleuchtet dich.
Siehe, geschwunden ist allerorten das
Dunkel.
Auch du freue dich, Mutter Kirche, umkleidet
von Licht und herrlichem Glanze! Töne wider,
heilige Halle, töne von des Volkes mächtigem
Jubel.»
(Aus dem Exsultet, dem Osterlob)