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«Hört endlich auf, von der Sünde zu sprechen!»

08. Juli 2024
Was löst dieser Titel bei Ihnen aus, wenn Sie ihn lesen? Finden Sie, er hat Recht?

Sollten wir aufhören, von Sünde zu sprechen und diesen «alten Zopf» kirchlicherseits endlich abschneiden? Oder ist für Sie diese Forderung auf der anderen Seite ein weiterer Schritt hin zum Ausblenden (oder gar Verdrängen) religiöser Themen aus der Gesellschaft – und damit auch von Gott selbst? Und schliesslich bleibt ebenfalls die Frage, ob der in der Vergangenheit ja oft so missbräuchlich und unterdrückend verwendete Sündenbegriff heute noch verantwortlich benutzt werden kann…?

All das ging mir jedenfalls durch den Kopf, als ich vor einigen Wochen über diesen Titel stolperte. Meine Aufmerksamkeit war geweckt und als ich entdeckte, dass sich dahinter ein Vortrag von Prof. Thorsten Dietz mit anschliessender Podiumsdiskussion verbarg, war klar: Dort geh ich hin. Es wurde ein kurzweiliger und gleichzeitig tiefgründiger Abend, bei dem schnell klar wurde:

Wir können und dürfen nicht aufhören, von der Sünde zu sprechen. Was es aber dringend braucht ist ein neues Sprechen darüber, was Sünde meint und worum es dabei geht. Das war das Hauptanliegen dieses Abends. Ein wichtiger Punkt, der hier für mich persönlich wichtig wurde, war zum einen die Feststellung, dass die Sünde real ist und zum Menschen dazu gehört. Zum anderen war es die Frage, was Sünde eigentlich ist. Eine Erklärung (unter mehreren) war hier, dass Sünde überall dort passiert, wo Beziehungen zu anderen, zu mir selbst und zu Gott gestört oder gar zerstört werden. Dies ist insofern erwähnenswert, da wir manchmal, um den Begriff der Sünde zu vermeiden, einfach von Schuld sprechen.

Doch wenn wir länger darüber nachdenken, wird deutlich, dass Schuld und Sünde nicht das Gleiche sind. Bei der Schuld geht es meist um «etwas» – im ursprünglichen um Geld. Wenn wir schuldig werden, haben wir eine Schuld bei anderen, weil wir ihm irgendetwas genommen haben – Würde, körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Liebe, Lebendigkeit usw. Die Rede von der Sünde lenkt den Blick aber weg von der Sache hin zur konkreten Person und zur Beziehung, die gestört worden ist. Und wenn man länger darüber nachdenkt, kann man sich fragen, ob letztlich nicht oft gestörte Beziehungen zu mir, zu anderen und zu Gott die Ursache dafür sind, dass wir schuldig werden. … Grosse Fragen, die hier nicht in die Tiefe beantwortet werden können.

Warum ich all das hier dann schreibe? Weil ich im Nachklang gemerkt habe, dass die Rede von der Sünde offenbar alles andere als von gestern ist. Vor kurzem befasste sich die Sendung Sternstunde Religion auf SRF damit, sogar unter dem Titel: «Todsünden – heute noch relevant?» Und auch eine Videoreihe mit bekannten und weniger bekannten Stars zum Thema ist entstanden (die ich bis jetzt leider noch nicht finden konnte). Es wird also über die Sünde geredet. Und anders als erwartet,
nicht mit dem Ziel, sie wegzubuchstabieren. Im Gegenteil: Ihre Bedeutung als menschliche Realität wird wahrgenommen und sogar betont, wie wichtig hier die Botschaft des Christentums ist und bleibt: dass es da einen gibt, der diese Realität kennt, Wege des Umgangs damit zeigt und vor allem, uns die Hoffnung und die Erlösung schenkt. Wir dürfen und müssen über die Sünde sprechen. Zum einen, um falsche Vorstellungen zu überwinden und zum anderen aber, uns dieser menschlichen Realität der Sünde zu stellen und neu zu lernen, mit ihr umzugehen.

Wenn Sie wollen, finden Sie unten zum Nachhören und Eintauchen sowohl den Mitschnitt des Vortragabends wie auch der SRF-Sendung. Und vielleicht reden wir ja demnächst miteinander über Sünde.

www.tecum.evang-tg.ch/fileadmin/user_
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2024.06.04_Thorsten_Dietz_Suende_
verkleinert_lauter.mp3

https://podcasts.apple.com/ch/podcast/stern
stunde-religion/id1643672550?i=
1000659882566

Tobias Zierof